Die neue Richtlinie «prEN 12464-1:2019»

Die Richtlinie, «Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen» stellt wichtige lichttechnische Anforderungen für die Planung von Beleuchtungsanlagen dar.

Die aktuell gültige EU-Richtlinie aus dem Jahre 2013 ist auch als Schweizer Version (SN EN 12464) verfügbar und stellt namentlich für die SIA-Norm «387/4, Elektrizität in Gebäude für Beleuchtung» eine wichtige Grundlage dar. Die neue Version der Richtlinie liegt nun als Entwurf vor und soll 2020 in Kraft gesetzt werden. Sie bringt einige Änderungen gegenüber der aktuellen Version. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die energetische Relevanz der neuen Richtlinie.

Lichttechnische Kenngrössen

Die «EN 12464-1» liefert in Ihrem Kern Tabellen mit mehreren Hundert Raumnutzungen und den geltenden Anforderungen in diesen Nutzungen. Gegenüber der bisherigen Norm werden zusätzliche Kenngrössen und Werte gelistet.

Kenngrössen Beschreibung Bisherige Norm Neue Norm
Beleuchtungsstärke
auf der Arbeitsfläche
Wartungswert x
Minimaler Wartungswert neu
Erhöhter Wartungswert neu
Gleichmässigkeit x x
Farbwiedergabe Ra-Wert x x
Blendung UGR-Wert x x
Beleuchtungsstärke
auf Nicht-Arbeitsflächen
Objekte oder Menschen neu
Decke neu
Wand neu

 

Beleuchtungsstärke auf der Arbeitsfläche

In der bisherigen Norm wurde der Wartungswert der Beleuchtungsstärke als Referenz für die mittlere Beleuchtungsstärke in einem Raum verwendet. Stand z.B. für ein Büro «500 Lux», bedeutete dies, dass in einem Büro nach Ablauf der Wartungsfrist (Abnahme der Beleuchtungsstärke infolge Verschmutzung und Alterung der Lichtquelle) eine mittlere Beleuchtungsstärke von 500 Lux eingehalten werden muss.

In der neuen Norm wird dieser Wert (500 Lux) nun als minimale Anforderung festgelegt. Zusätzlich wird ein erhöhter Wert (1000 Lux) angegeben, der z.B. in Räumen mit älteren Personen mit geringerer Sehkraft zur Anwendung kommen soll.

Die Norm stellt Überlegungen an, welcher Beleuchtungsstärkewert (minimaler oder erhöhter) wann angewendet werden soll. Die Entscheidung wird dem Bauherrn bzw. dem Planer überlassen. Als «Must» wird der minimale Wert gefordert. «Rechtlich» gesehen bleib so-mit alles beim Alten, es wird aber eine höhere Beleuchtungsstärke postuliert.

Sehen im Alter und Energiebedarf von Beleuchtungsanlagen

Durch die Trübung der Augenlinsen verliert der Mensch mit zunehmendem Alter an Sehkraft. Beim Tageslicht spielt dieser Seeverlust kaum eine Rolle, denn das Tageslicht ist ausreichend stark. Beim Kunstlicht in Innenräumen hat der Rückgang an Sehkraft aber einen erhöhten Bedarf an Beleuchtungsstärke zur Folge.

Die nachstehende Abbildung zeigt die demografische Zusammensetzung der Schweizer Bevölkerung und das notwendige Beleuchtungsniveau der künstlichen Beleuchtung in Innenräumen in Prozent des typischen Beleuchtungsstärkebedarfs eines Kindes. Ein 50-jähriger Mensch benötigt also eine rund 50 Prozent erhöhte Beleuchtungsstärke, um gleich hell zu sehen wie eine junge Person.

Das Dilemma: Eine um 50% höhere Beleuchtungsstärke ist für ältere Menschen sinnvoll, jüngeren schadet sie nicht, aber sie erhöht den Energiebedarf für die Beleuchtung um ebenfalls 50%.

Fazit: Es ist durchaus angezeigt, das Beleuchtungsniveau in bestimmten Anwendungen zu erhöhen. Diese Erhöhung hat bei der enormen Effizienzentwicklung von LED-Lichtquellen aber nur eine geringe Minderung des gesamten Energiesparpotentials für Beleuchtung zur Folge. Für die Anwendung der SIA-Norm 387/4 und die Einhaltung der Genz- und Zielwerte hat die Erhöhung der Beleuchtungsstärke keinen Einfluss. Die im Jahre 2016 formulierten SIA-Anforderungen können auch bei höheren Beleuchtungsstärken – dank der laufenden Entwicklung – mit wenig zusätzlicher Anstrengung eingehalten werden. Mit den definierten installierten Leistungen in der SIA-Norm können heute ohne weiteres auch 50% höhere Beleuchtungsstärken erreicht werden – vorausgesetzt, es werden qualitativ hochstehende und effiziente Leuchten eingesetzt.

Farbwiedergabe

Neben der Betrachtung zur Beleuchtungsstärke und deren Einfluss auf den Energiebedarf sind in der SN EN 12464 andere Kenngrössen und Werte aufgeführt, die den Energiebedarf weniger stark tangieren.
Als Minimum des Farbwiedergabeindexes wird in den meisten Raumnutzungen ein sogenannter Ra-Wert von 80 gefordert. Es gibt aber am Markt kaum eine Lichtquelle, welche diesen Wert nicht erreicht. In einigen Fällen wird die bessere Qualität mit Ra=90 gefordert. Das Angebot von Lichtquellen mit Ra=90 ist bereits recht gross. Die Lichtquellen mit Ra=90 haben eine um 5 bis 10% verminderte Energieeffizienz.

Blendung

Zur Beurteilung der Blendung wird ein Verfahren verwendet, das sich «Unified Glare Rating – UGR» nennt. Die aus Direktblendung und indirekter Abstrahlung der umgebenden Decke und Wänden berechneten Werte werden in Zahlenschritten von 13 bis 25 angegeben. Je nach Raumnutzung wird ein anderer Wert gefordert; je niedriger die Zahl, desto geringer die Blendung. Der UGR-Wert ist abhängig von der konkreten Raumgestaltung; in den Degenblättern der Leuchtenhersteller wird der Wert für einen normierten Standardraum angegeben. Daraus kann man ableiten, ob sich eine Leuchte für eine bestimmte Nutzung eignet – oder nicht.
In der nachstehenden Tabelle sind die maximalen Blendziffern für bestimmte Anwendungen aufgeführt.

Nutzungen UGR Wert
Sehr feine Arbeiten unter 16
Büro, Schulzimmer, Bettenzimmer unter 19
Verkauf, Restaurant, Sporthalle unter 22
Verkehrsfläche, WC, Parkhaus, Nebenräume unter 25
Aussenflächen über 25

Generell kann gesagt werden, dass Leuchten mit höherer Entblendung eine niedrigere Energieeffizienz aufweisen. Bei der Auswahl ist es also notwendig, zuerst die Anforderungen an die Blendbegrenzung der Nutzung anzuschauen, und die effizienteste Leuchte im Rahmen dieser Anforderung auszuwählen.

Gleichmässigkeit der Beleuchtungsstärke

Die Gleichmässigkeit wird aus der minimalen und der mittleren Beleuchtungsstärke im Bereich der Sehaufgabe definiert. Der Wert liegt – je nach Raumnutzung – zwischen 0.4 und 0.7. Die Randzone (typischerweise 50 cm ab der Wand) wird für die Ermittlung der Gleichmässigkeit nicht berücksichtigt.

Beleuchtungsstärke auf Nicht-Arbeitsflächen

Für eine gleichmässige Helligkeitsverteilung im Raum ist es notwendig, dass Wände und Gegenstände im Raum auch seitlich gut beleuchtet sind. In den meisten Nutzungen wird eine seitliche (vertikale) Beleuchtungsstärke zwischen 50 und 150 Lux gefordert. Selbstverständlich gelten diese Werte nicht für Verkaufsflächen oder Museen, wo Waren und Gegenstände speziell präsentiert werden. Diese Werte sind in der Norm nicht definiert.

Für Decken werden in der Richtlinie minimale Beleuchtungsstärken zwischen 50 und 100 Lux angegeben.

Weitere Angaben in der SN EN 12464

Die Richtlinie ist in Ihrer neusten Form von rund 50 auf 90 Seiten angewachsen. Neben den tabellarischen Werten für Raumnutzungen werden zahlreiche weitere lichttechnische Aspekte behandelt:

• Messraster für die Beleuchtungsstärkenverteilung
• Reflexionsgrade von Oberflächen
• Physiologische Blendung und Blendschutz
• Schleierreflexionen und Reflexblendung
• Lichtfarbe und Farbwiedergabe
• Spektrale Verteilung und nicht visuelle Effekte
• Flimmern und stroboskopische Effekte von Lichtquellen
• Tageslichteinfall
• Veränderlichkeit des Lichtes
• Wartungsplan

Die neue Richtlinie kann als «DIN EN 12464-1:2019» unter https://shop.snv.ch bestellt werden.